Gebrochener Arm oder kein Geld fürs Pausenbrot? Vieles kann den Schulalltag erschweren bis unmöglich machen. Ein multidisziplinäres Team in Landsberg versucht zu helfen.
Von Vanessa Polednia, Landsberger Tagblatt, 13.03.2023
Der Weg zum Berufsabschluss oder zur bestandenen Abiturprüfung kann steinig sein. Wenn eine chronische Krankheit, psychische Belastungen oder Familienstreitigkeiten das Leben belasten, können jungen Menschen die Kraft und der Mut abhandenkommen, ihren Berufs- oder Schulweg zu meistern. Mut, nur in Großbuchstaben, ist auch die Kurzform des multiprofessionellen Teams der Beruflichen Schulen in Landsberg, das bei allen Problemlagen helfen möchte.
Der Gebäudekomplex unweit des Bayertors beherbergt die Fachoberschule (FOS), die Berufsoberschule (BOS) und die Berufsschule der Stadt. Über 2000 Schüler und Schülerinnen, die unterschiedlichste Voraussetzungen von der Förderschule bis zum Gymnasium mitbringen, lernen dort. “Da fallen viele Themen an”, deutet Schulleiterin Marion Rüller gleich zu Beginn des “MUT”-Treffens an. Einmal in der Woche trifft sich Rüller mit Kollegen aus der Schulleitung und psychologischen und pädagogischen Fachkräften der Beruflichen Schulen. Ihr Ziel: Problemfälle schildern und gemeinsam Lösungen für die Betroffenen finden.
Sonderpädagogische Beraterin und Jugendsozialarbeiterinnen finden gemeinsam Lösungen
An einem langen Tisch sitzt das Expertenteam. Da wäre Andrea Bresler von der Sonderpädagogischen Beratung und Förderung. Sie trägt maßgeblich dazu bei, dass die Beruflichen Schulen möglichst inklusiv sind. Bresler unterstützt etwa bei Lernschwierigkeiten und den Schulbesuch mit Rollstuhl.
Als Schulsozialarbeiter unterstützt Jan Biehler die Schulgemeinschaft insbesondere bei der Präventionsentwicklung, Persönlichkeitsbildung und Wertevermittlung. Er ist Ansprechpartner für alle am Schulleben beteiligten Personen, speziell auch im Bereich Sucht und bei Schulprojekten. In einer Klasse ist die Stimmung schlecht? Dann kommt Biehler und versucht zu klären, wie das Klassenklima verbessert werden kann. “In einem Fall lag es an mangelnder Kritikfähigkeit”, berichtet er.
Christiane Oswald und Katharina Mayer sind als Mitarbeiterinnen des Jugendamtes für die Berufsschule als Jugendsozialarbeiterinnen tätig. Sie sind vor allem für die Berufsschule zuständig und nicht nur bei Schwierigkeiten in Schule und Ausbildung Ansprechpartnerinnen, sondern unterstützen auch in anderen Lebensbereichen. Sei es bei Problemen im finanziellen, sozialen und persönlichen Bereich, der Suche nach Ausbildungs- oder Arbeitsplatz oder der Vermittlung in weiterführende Hilfen. In dieser Funktion stünden sie auch den Familien und Ausbildungsbetrieben zur Verfügung. Ein Beispiel aus der Praxis? Es gibt Menschen in der Schulgemeinschaft, die sich Lebensmittel nicht mehr leisten können. Eine der Ideen des Teams: Demnächst soll ein Kühlschrank in der Schule aufgestellt werden – “zum Foodsharing”, erklärt Sozialpädagogin Mayer das möglichst niederschwellige Angebot.
“MUT”-Treffen entlastet auch die Lehrkräfte der Beruflichen Schulen Landsberg
Das Unterstützungssystem ist über die Jahre gewachsen, ganz zur Freude der Lehrkräfte. “Sie haben sich früher oft alleingelassen gefühlt”, weiß Schulleiterin Rüller. Das Angebot ist auch dringend notwendig, bestätigen alle am Tisch. “Der Bedarf ist seit Corona deutlich gestiegen”, betont Sozialpädagogin Christiane Oswald. Erfreulich ist dagegen, dass auch die Hemmschwelle, sich Hilfe zu holen, gesunken sei.
Schulpsychologe Thomas Binder ist seit zwei Jahren an fünf – häufig auch an sieben – Tagen bei allen psychologischen Fragen der richtige Ansprechpartner, neben seinem Einsatz als Deutschlehrer und Lehrer für Elektrotechnik. Er berät etwa im Umgang mit Prüfungsangst und bei akuten psychischen Erkrankungen oder Krisensituationen. Thomas Binder erlebt tagtäglich, dass bereits vorhandene Probleme durch die Pandemie verschlimmert und Entwicklungsschritte verhindert wurden. Die Fälle von Depressionen, Essstörungen und Angststörungen hätten sich seitdem verdoppelt, berichtet er. Bei starker Prüfungsangst könne man Betroffenen etwa helfen, ein Referat nur vor Lehrkräften halten zu müssen, anstatt vor der gesamten Klasse. “So kann man das Selbstbewusstsein stärken”, erklärt Binder. Nach einem Erfolgserlebnis könnte man beim nächsten Vortrag das Publikum vergrößern.
Bei aller Hilfe darf das Schulrecht nicht außer Acht gelassen werden. Allein deshalb ist es wichtig, dass die Schulleitung bei den MUT-Treffen anwesend ist. In diesem Rahmen kann das Team ausloten, was individuell machbar ist. Disziplinarausschüsse, die laut Rüller für alle Beteiligten unschön seien, könne man durch die frühzeitige Hilfe minimieren. “Wir wollen Strafen durch Hilfestellungen ersetzen.”
Alle Beratungen erfolgen auf freiwilliger Basis, sind kostenlos und unterliegen der gesetzlichen Schweigepflicht. Und so bleiben die Akten beim Besuch unserer Redaktion auch geschlossen.